Massenproteste zum Unabhängigkeitstag in Pakistan

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Veröffentlicht: 16.08.2014, 06:30 (CEST)
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Islamabad (Pakistan), 16.08.2014 – Am 14. August 2014 feierte Pakistan seinen 68. Unabhängigkeitstag. Doch die Hauptstadt Islamabad glich mehr einer belagerten Festung, da alle Zufahrtsstraßen in die Stadt blockiert und von Sicherheitskräften besetzt worden waren. Auch das Mobilfunknetz des Landes war weitgehend außer Betrieb gesetzt. Während in Islamabad die offiziellen Feierlichkeiten im Gange waren, versammelten sich in Lahore Menschen zu zwei getrennten Protestmärschen auf die Hauptstadt.

Imran Khan
Tahir-ul-Qadri

Die Märsche werden unabhängig von einander von dem ehemaligen Cricketspieler Imran Khan, der jetzt der Führer einer der wichtigsten pakistanischen Oppositionsparteien, der PTI, ist, und dem religiösen Führer Tahir-ul-Qadri organisiert. Trotz des starken Polizeiaufgebots versammelten sich auch in Islamabad Anhänger beider Märsche und feiern in Erwartung von deren Ankunft.

Die Sicherheitsmaßnahmen in Islamabad wurden nach einem Versuch, die Märsche vor Gericht verbieten zu lassen, von der Regierung zwar herabgestuft, da die Protestierer einen friedlichen Verlauf angekündigt hatten, doch sind die Sorgen, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen könnte, groß. Im Laufe der letzten Woche wurden bereits mehr als ein Dutzend Protestanhänger und drei Polizisten bei Zusammenstößen getötet. Die Märsche werden nach Absprache mit den Organisatoren nun in einen von Geschäfts- und Wohnvierteln abgelegenen Teil der Hauptstadt gelenkt, wo sie zu Ende gehen sollen. Es ist dabei unklar, ob sich die beiden Märsche zu einer gemeinsamen Abschlusskundgebung vereinigen werden und ob es zu dem angekündigten Sitzstreik bis zur Abdankung von Premierminister Nawaz Sharif kommt.

Nawaz Sharif

Khan beschuldigt den amtierenden Premierminister des Wahlbetruges bei den Parlamentswahlen 2013, die dieser mit einem erdrutschartigen Ergebnis gewonnen hatte. Gleichzeitig mobilisiert Khan seine Anhänger aber auch mit dem Hinweis auf die zahlreichen Wahlversprechen Sharifs, wie eine zuverlässige Stromversorgung, die bisher noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt wurden. Qadri folgt einer ähnlichen Linie wie Khan. Er beschuldigt Sharif der Korruption und nennt die augenblickliche Regierung „undemokratisch“ und spricht von einer nicht genauer definierten „grünen Revolution“, die er verfolge, wobei er mit der Farbe auf den Islam anspielt. Qadri ist ein Mann, der vor allem durch sein Charisma führt, während Khan als fähiger Macher gesehen wird.

Premierminister Sharif seinerseits demonstrierte Entschlossenheit, sich mit den Vorwürfen des Wahlbetruges auseinanderzusetzen, indem er eine unabhängige Kommission zur Untersuchung der Wahl einsetzte, und ging auch auf die Probleme des Landes mit dem Terrorismus ein. Vor dem Hintergrund der Klage von Indiens Premierminister Narendra Modi, dass Pakistan den Terrorismus und damit einen „Krieg gegen Indien“ unterstütze, sagt er, dass er sich um eine Lösung der Situation in Afghanistan bemühe, damit die Region in Frieden leben könne, und dass er generell um ein friedliches Miteinander mit seinen Nachbarländern bemüht sei. Islamistische Kämpfer, die aus Afghanistan eindringen und auch das Land selbst als Stützpunkt benutzen, bereiten Pakistan vor allem in der Region Waziristan große Probleme. Sharifs Einlassungen, diese Auseinandersetzung entschieden zu bekämpfen, werden vor allem bei den Führern der pakistanischen Streitkräfte auf Wohlwollen gestoßen sein, denn bisher verlaufen die Kämpfe gegen die Aufständischen dort trotz großem Einsatz und großer Verluste erfolglos.

Shahbaz Sharif

Pakistan ist ein Land, dessen Geschichte von Militärcoups gezeichnet ist. Dass Sharif sich der Unterstützung des Militärs versichert, ist für sein politisches Überleben sehr wichtig, aber von ausländischen Beobachtern wird dabei vor allem auf die Forderung Qadris verwiesen, eine Übergangsregierung unter der Leitung des Militärs einzurichten. Diese Forderung hat angeblich jedoch keine offizielle Unterstützung durch die pakistanischen Streitkräfte. Der Chief Minister der Provinz Punjab, Shahbaz Sharif, fand dabei sehr klare Worte gegen die Marschierer, die er als Staatsfeinde bezeichnete. Er meinte, Pakistan solle sich an diesem Tag sehr viel mehr als ein einiges Land zeigen. Sein Bruder, der Premierminister Nawaz Sharif, spricht davon dass die Demonstranten das Land in die „Anarchie“ stürzen wollten.

Lange Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den aktuellen Märschen nach Islamabad könnten in der Tat Nawaz Sharifs Schicksal entscheiden. Sein Amtsvorgänger Pervez Musharaf ist nach Protesten unter der Leitung Khans und Qadris letztes Jahr gestürzt worden.

Die Märsche, die in Wirklichkeit Fahrzeugkonvois sind, hatten sich am späten Donnerstagabend nach Berichten noch immer nicht auf den Weg in das rund 350 Kilometer von Lahore entfernte Islamabad gemacht, obwohl sich schon mehrere zehntausend Menschen versammelt hatten. Von den Konvois, die sich dann später auf den Weg nach Islamabad machten, wird berichtet, dass die Wagenkolonne Imran Khans von Anhängern der regierenden PML-N mit Steinen beworfen wurde. Khan selbst sprach davon, dass auch Schüsse auf sein Fahrzeug abgegeben wurden. Der Politiker wurde dabei nicht verletzt. Khan bezeichnete die Angriffe auf die Fahrzeugkolonne als Falle und rief seine aufgebrachten Anhänger dazu auf, sich nicht provozieren zu lassen. Die Polizei sah den Ereignissen nach Khans Aussage tatenlos zu, doch wie die BBC dazu berichtet, sollen die Sicherheitskräfte mit der Menschenmasse vollkommen überfordert gewesen sein.


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Quellen[Bearbeiten]