Entscheidung zu neuem Wahlrecht verschärft Konflikt in Hongkong

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Veröffentlicht: 02.09.2014, 02:56 (CEST)
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Hongkong (China), 02.08.2014 – Am Sonntag gab der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses seine Entscheidung über das Verfahren zur Wahl des nächsten Chief Executives von Hongkong bekannt. Der Beschluss sieht vor, dass eine „repräsentativ“ besetzte Versammlung mit 1.200 Mitgliedern über die Nominierung von zwei oder drei Kandidaten für die 2017 anstehende Wahl entscheiden soll. Die Einwohner Hongkongs könnten dann für jeden dieser Kandiaten stimmen. Von den Parlamentariern wird dies als Umsetzung des allgemeinen freien Wahlrechts gesehen, wie sie von Demonstranten in Hongkong immer gefordert würde.

Leung Chun-ying

Der Ausschuss betont in seiner Entscheidung weiterhin, dass das Wahlrecht entsprechend den Bestimmungen der Verfassung Hongkongs entworfen wurde. Dabei sagte Li Fei, der stellvertretende Vorsitzende des Ständigen Ausschusses, aber auch, dass die Demonstranten in Hongkong zwar immer von internationalen Standards sprächen, nach denen die Wahlen abgehalten werden sollten, sie aber nie genau erklärten, wie diese denn aussähen. Li erklärte auch, dass jeder künftige Chief Executive Hongkongs das Land (China) und die Partei (die KP Chinas) lieben müsse. Zusammenfassend wird die Wahlrechtsvorlage als die Umsetzung der Leitlinie „Ein Land - Zwei Systeme“ gesehen, der zufolge Hong Kong weitergehende Freiheiten genießt als der Rest Chinas. Von der augenblicklichen Führung Hongkongs unter dem Chief Executive C.Y. Leung wurde die Entscheidung als Fortschritt in der Entwicklung Hongkongs begrüßt.

Martin Lee
Emily Lau (2010)

Martin Lee, der Gründer der Demokratischen Partei Hongkongs, sagte dazu, dies sei Demokratie nach chinesischem Vorbild. Was die Einwohner Hongkongs jedoch wollten, sei das freie und allgemeine Wahlrecht. Er bezeichnete es als die Wahlmöglichkeit zwischen einer faulen Banane, einem faulen Apfel und einer faulen Orange. Emily Lau, die Vorsitzende der Demokratischen Partei, sagte, das Prinzip, „ein Mann, eine Stimme“ gebe es auch in Nordkorea, aber dort gebe es auch keine Wahl der Kandidaten.

Ronny Tong
Claudia Mo (2008)

Ronny Tong von der Civic Party nannte es den schwärzesten Tag für Hongkongs Demokratiebestrebungen. Seine Parteikollegin und Mitabgeordnete in der gesetzgebenden Versammlung Hongkongs, Claudia Mo, urteilte, dass Hongkong in einen „Bunker“ verwandelt würde, in dem die Machthaber aus Peking machen könnten, was sie wollten.

Von der Bewegung Occupy Central with Peace and Love wurden Protestwellen unterschiedlicher Art angekündigt. Angaben zu Zeitpunkt und Form der Proteste wurden nicht gemacht, aber man deutete an, die Proteste steigern zu wollen - bis hin zur Besetzung des Wirtschafts- und Verwaltungszentrums von Hong Kong, dem „Central“ Bezirk. Bereits am Sonntagabend zogen Demonstanten vor den Sitz der Hongkonger Verwaltung und skandierten Sprüche wie „Gefälschte Demokratie“.

Am Montagmorgen kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei in Hongkong, als Li Fei die Hintergründe der Entscheidung erklären wollte. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, um eine Versammlung von 100 Demonstranten aufzulösen, und führte Personen ab, denen es gelungen war, in den Versammlungsraum zu gelangen, wo sie die vom Beifall pro-chinesischer Zuhörer begleiteten Ausführungen Lis mit Zwischenrufen störten.

Li nannte die Occupy Bewegung bei dieser Gelegenheit illegal. Er griff damit den Tenor chinesischer Medien auf, in denen es zu den Protesten vom Sonntag auch heißt, dass die Opposition in Hongkong nur ein „Papiertiger“ sei, den die Mehrheit der Menschen problemlos überwinden könne. Es sei, so wird gesagt, eine Illusion zu glauben, dass alle Einwohner Hongkongs der Occupybewegung folgen würden. Auch einer Anfechtung der Entscheidung mit rechtlichen Mitteln räumte er im Übrigen keine Chance ein, da in Hongkong die Gesetze eingehalten würden. Daran wird eine Warnung an „den Westen“ angeschlossen, sich nicht in die Angelegenheiten Chinas in Hongkong einzumischen - etwas, das bereits in Erwartung der Entscheidung laut geworden war und in eine Andeutung mündete, dass einige Gruppen in Hongkong mit „fremden Kräften“ zusammenarbeiteten, die einen Brückenkopf gegen China etablieren wollten.

Die Regierung in Peking sieht die Entscheidung über das Wahlrecht in Hongkong als erneuten Beweis ihrer Stärke. Diese Machtdemonstration zielt dabei nicht nur auf Hongkong, sondern auch auf den Rest Chinas. Diskussionen über oder gar Proteste gegen die Regierung in Peking wie 1989 werde man nicht hinnehmen, ist die unterliegende Botschaft dieser Entscheidung, und dazu ließ man in der Woche vor dem Beschluss schon mal einige gepanzerte Truppentransporter der chinesischen Volksbefreiungsarmee durch zentrale Bezirke Hongkongs fahren.

Chui Sai On

Parallel zu den Beschlüssen zum Wahlmodus in Hongkong wurde in Macao, das ebenfalls einen politischen Sonderstatus innerhalb Chinas genießt, Chui Sai On erneut für fünf Jahre zum Chief Executive und damit zum Regierungschef gewählt. Die Wahl erfolgte durch ein von Peking bestimmtes, 400 Personen umfassendes Wahlmännergremium, und der pekingtreue Chui war der einzige Kanditat für das Amt.


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Quellen[Bearbeiten]