China: 81-jähriger Schriftsteller nach kritischem Artikel verhaftet

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Veröffentlicht: 17.09.2014, 06:21 (CEST)
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Peking (China), 17.09.2014 – Der 81-jährige Schriftsteller Huang Zerong, der auch unter seinem Schriftstellernamen Tie Liu bekannt ist, wurde am Sonntag zusammen mit seinem Krankenpfleger von der Polizei verhaftet. Seine Wohnung wurde durchsucht, Papiere und Computer sichergestellt. Der Vorwurf gegen Huang lautet „Aufruf zur Unruhe“. Dies erklärte seine Frau. Auch sie wurde nur mit dieser knappen Erklärung abgespeist, eine offizielle Verlautbarung zu den Vorgängen gibt es bisher nicht. Warum in diesem Zusammenhang der Krankenpfleger ebenfalls verhaftet wurde, bleibt dabei unklar.

Liu Xiaoyuan, ein Rechtsanwalt und Freund von Huang, kommentierte die Verhaftung mit der Aussage, dass er nun wohl der älteste Verdächtige sei, dem man einen Aufruf zur Unruhe vorgeworfen habe. Huang war unter Mao Zedong im Rahmen der Hundert-Blumen-Bewegung als „Rechtsabweichler“ 1957 bereits zu 23 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Das Urteil wurde 1980 – vier Jahre nach dem Tode Maos – für ungültig erklärt.

Liu Yunshan

Hintergrund der Vorgänge vom Sonntag dürfte laut Medienberichten mit Berufung auf seine Frau die Kritik Huangs an Liu Yunshan sein. Liu Yunshan ist Mitglied des Politbüros und Leiter der Propagandaabteilung der Kommunistischen Partei Chinas. Er ist verantwortlich für die in letzter Zeit wieder strengere Kontrolle des chinesischen Internets durch die Behörden. Während die Regierung selbst gegen Korruption und das dadurch finanzierte ausschweifende Leben vieler Parteifunktionäre und hoher Beamter zu Felde zieht, unterbindet sie gleichzeitig jede nicht offizielle Kritik an diesen Zuständen. Dieses widersprüchliche Verhalten hat Zerong in Veröffentlichungen im Ausland kritisch beschrieben.

Wang Quan’an mit seinem gewonnenen Silbernen Bären für Tuan Yuan (2010)

In den deutschen Medien wird als Schlagzeile und Aufhänger für Artikel über die Verhaftung Huangs die Verhaftung von Filmregisseur Wang Quan’an herangezogen. Sie beruht jedoch auf ganz anderen Umständen. Die chinesische Regierung geht seit Monaten nicht nur verstärkt gegen die Korruption in Partei und Staat vor und unterwirft Onlinemedien einer stärkeren Kontrolle als in früheren Jahren, sie kontrolliert auch sehr gezielt den Lebenswandel prominenter Künstler. Wang wurde in einer Wohnung mit einer Prostituierten verhaftet – ein Umstand, der in China generall unter Strafe steht. Er ist damit nur der Letzte einer Reihe Prominenter, die in den vergangenen Monaten von der Polizei nach Gesetzesverstößen verhaftet wurden. So wurde Jackie Chan junior, der Sohn des international bekannten Schauspielers Jackie Chan, im August wegen des Besitzes von Marihuana verhaftet. Die in China bereits zuvor wegen der falschen Behauptung, sie arbeite für das chinesische Rote Kreuz, und ihrem ausschweifenden Lebenswandel zu zweifelhaften Ruhm gelangte Guo Meimei wurde im Juli wegen der Organisation von illegalem Glücksspiel verhaftet.

Nun sind Drogen auch in China nicht unbedingt alltäglich, aber Prostitution und Glücksspiel sind keineswegs ein Privileg der „Reichen und Schönen“, sondern für alle Menschen ohne große Schwierigkeiten zugänglich. Auch sind die Onlinemedien trotz der Beschränkungen durch die „Great Firewall“ gerade unter Jugendlichen mit geringem Aufwand zumindest teilweise frei von staatlicher Überwachung. Der Effekt, den derartige Verhaftungen von Prominenten – ob älteren Schriftstellern, hochgeachteten Filmregisseuren oder sonstigen Prominenten – haben, ist gering, aber die Botschaft, die sie aussenden sollen, ist: „Niemand steht über dem Gesetz und die Partei steht über allem.“


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Themenverwandte Artikel[Bearbeiten]

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Quellen[Bearbeiten]