Österreich: Opfer von Gewalt- und Missbrauchsfällen staatlicher Einrichtungen werden abgeurteilt

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Veröffentlicht: 14:19, 29. Apr. 2011 (CEST)
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Österreich, 29.04.2011 – Nach der Kirche haben längst auch die österreichischen Bundesländer mit der Aufarbeitung ihrer Gewalt- und Missbrauchsfälle begonnen. So hat zuletzt Oberösterreich 622.500 Euro Entschädigung an Opfer in 51 Fällen von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt ausbezahlt. Die Republik Österreich wehrt sich allerdings bis heute dagegen, dass die Fälle aus dem Umfeld staatlicher Einrichtungen ans Tageslicht kommen. Insbesondere aus den Internaten, den staatlichen Bundeskonvikten und Bundeserziehungsanstalten, sind schwere Fälle von Gewalt und Missbrauch an Kindern dokumentiert. Zeitungsberichte verweisen unter anderem immer wieder auf Vorfälle aus dem Bundeskonvikt Lienz. Besonders schlimme Gewalt- und Missbrauchsfälle gab es im Bundeskonvikt Waidhofen/Ybbs, die jetzt im Buch Internatsgeschichten dokumentiert sind. Eine Reihe Betroffener haben unter anderem berichtet, wie sie in den 1970-er Jahren beim Direktor des Internats regelmäßig zur „Untersuchung“ ihrer Genitalien antreten mussten. Im Juni 1975 gab es dann auch noch eine Explosion in diesem Internat, bei der zwei Kinder schwer verletzt wurden und bis heute an den Folgen leiden. Dem Direktor gelang es damals, den Vorfall zu vertuschen.

Gegen solche Berichte und Dokumentationen geht die Republik Österreich bisher mit heftiger Zurückweisung vor. Auf mehrmalige Aufforderung des Autors der „Internatsgeschichten“ hat das Unterrichtsministerium Ende Dezember 2010 zwar eine formelle Untersuchung eingeleitet, aber bis zuletzt keinen einzigen Zeugen oder Betroffenen befragt. Am 2. März 2011 hat die Finanzprokuratur (Anwalt der Republik Österreich) dann ihre Ablehnung in einem kurzen Brief an den Autor begründet. Darin hält sie gleich drei Mal fest, dass „keine Anhaltspunkte für rechtswidriges oder schuldhaften Verhalten von Bundesorganen gefunden wurden“. Auch an der Explosion im Internat konnten die Behörden kein Problem entdecken, denn „Unterlagen liegen dazu nicht auf“. Abschließend urteilt die Finanzprokuratur ganz amtlich: „Im übrigen sind die Ansprüche bereits verjährt.“

Immer wieder fordert auch die kirchliche Opferschutzkommission von der österreichischen Regierung, sich diesen Vorfällen zu stellen. Noch vor einem Jahr meinte die damalige Justizministerin Bandion-Ortner dazu, „man könne nicht für jedes und alles eine Kommission einrichten“. Dieser Kommentar wurde dann sogar noch im Parlament diskutiert. Zu Jahresbeginn 2011 hat es Gespräche zwischen Regierungsvertretern und den Fachleuten der Opferschutzkommission gegeben. Seither ist Schweigen.
Woho 01:47, 29. Apr. 2011 (CEST)

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